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5 Lektionen fürs Leben:
Was ich schon in meiner Jugend von Pferden lernen durfte:

Ich muss ungefähr elf oder zwölf Jahre alt gewesen sein, als ich vom Pferdevirus infiziert wurde. Eines Tages durfte ich meine beste Schulfreundin in den Reitstall begleiten. Obwohl sie nicht die geringste Lust dazu verspürte, schickten sie ihre Eltern zum Reitunterricht. Im Gegensatz zu ihr fing ich Feuer und entdeckte meine Liebe zu den Pferden. Ich wusste es sofort und hatte nicht den geringsten Zweifel: „Das ist meine Welt. Da will ich hin, zu den Pferden und reiten lernen.“

 

 

Es war nicht leicht, meine Eltern zu überzeugen, mir die erste Zehnerkarte für den Reitunterricht zu bezahlen. Aber ich schaffte es und war sehr glücklich darüber. Dass es nur ein Erfolg von kurzer Dauer sein sollte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Nachdem die Zehner-Karte aufgebraucht war, teilte mir mein Vater mit, dass das Experiment Stall beendet sei, weil er sich den teuren Reitunterricht nicht leisten könne. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich fühlte mich ungerecht behandelt und war rasend vor Wut.

Heute weiß ich, dass das Schicksal mir Lernaufgaben stellte, an deren Bewältigung ich gewachsen bin und mich weiterentwickelt habe. Nicht für die Schule lernen wir, für das Leben. Was ich damals fürs Leben lernte, prägt mich noch heute.

 

Lektion 1:

“Auch aus Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, kannst du etwas Schönes bauen“ (Erich Kästner)

Ich begann, selbständig zu werden und mich von meinen Eltern abzunabeln. Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Das wurde zu meinem Lebensmotto: erst viele Jahre später sollte ich es verändern. Durch die tödliche Krankheit meines ersten Ehemanns durfte ich lernen, dass dieses Lebensmotto Grenzen hatte. Aber das ist eine andere Geschichte. Als mein Vater mir seine finanzielle Unterstützung für mein Hobby entzog, erwachte der Trotz in mir. „Ich werde es dir zeigen. Ich werde reiten, ob du es willst oder nicht,“ erklärte ich meinem Vater und versprach ich mir selber.

Meine Lehrer in der Schule bat ich, mir Nachhilfeschüler aus den unteren Klassen zu vermitteln, damit ich mir meinen Traum vom Reiten aus eigener Kraft verwirklichen konnte. Auch die Tochter des Reitlehrers hatte Probleme mit Englisch und Mathematik. Das Schicksal war auf meiner Seite. Täglich gab ich zwei bis drei Nachhilfe-Stunden. Mit dem verdienten Geld konnte ich meine Reitstunden bezahlen. Jede freie Minute verbrachte ich im Stall, putzte, mistete aus, ließ Privatpferde an der Hand grasen und verschaffte mir damit weitere kostenlose Reit-Gelegenheiten.

Ich lernte, für meine Träume einzustehen. Ich lernte meine eigene Macht kennen und erfuhr, dass ich selbst Einfluss nehmen konnte, um meine Ziele zu verwirklichen. Es gelang, ich hatte Erfolg und es erfüllte mich mit Stolz und Genugtuung. Mein Selbstvertrauen begann zu wachsen.

 

Lektion 2:

„Du bist ewig für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine Rose verantwortlich.“ (Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz)

Meine Rosen waren die Pferde. Durch die Beschäftigung mit den Pferden entwickelte ich ein Bewusstsein für Verantwortung und die Fähigkeit zur Disziplin. Das Pferd zuerst! Jeder Reitschüler lernte diesen Grundsatz zur damaligen Zeit. Das Pferd hatte Vorrang vor den eigenen menschlichen Bedürfnissen. Die Pferde dankten es mir mit ihrer Freundschaft. In ihnen fand ich treue Zuhörer und liebevolle „Seelentröster“ für meine Sorgen und Nöte. Stundenlang saß ich in der Box meines Lieblingspferdes und schüttete ihm mein Herz aus. Das Pferd urteilte nicht, es nahm mich an, wie ich war. Bei den Pferden musste ich mich nicht verstellen, um zu gefallen. Ich durfte ich sein.

 

 

Lektion 3:

Hinfallen… Aufstehen… Krone richten… Weitergehen!

Bevor ich mit dem Reiten begann, war ich ein schüchternes Mädchen. Ich weinte oft, viel und schnell, war brav und angepasst. Beim Reiten lernte ich eine fürs Leben enorm wichtige Lektion: Wenn du in den Dreck fällst, aufstehen, Staub abklopfen, aufsteigen und weiter reiten. Natürlich war es nicht die Krone, die ich richtete, sondern die Reitkappe. Ich entwickelte mich vom kleinen Mädchen, das nahe am Wasser gebaut hatte, zu einem selbstbewussten Teenager. Die kleine Prinzessin entdeckte die Königin in sich.

 

Lektion 4:

Wisse, was du willst, und kommuniziere es klar

Fähigkeiten, ohne die der Umgang mit Pferden nicht gut funktioniert. Du kannst Pferden nichts vormachen. Sie entlarven den sofort, der es nicht ernst meint. Wenn wir den Pferden mitteilen wollen, was wir von ihnen wollen, müssen wir erst selber wissen, was wir wollen. Klarheit in der Sprache, Körpersprache und Ausstrahlung sind Voraussetzungen, damit die Kommunikation nicht nur mit den Pferden, sondern auch mit Menschen gelingt. Das Training mit den Pferden hat mich also auch in dieser Hinsicht vorbereitet auf das Leben, auf meine spätere Berufstätigkeit im Business, als Führungskraft, als Trainerin und Coach.

 

Lektion 5:

Setz dich durch

Als ich vor etwa vierzig Jahren reiten lernte, herrschte noch ein militärischer Kasernenhof-Ton in der Reithalle. Unsensibel brachten die Reitlehrer ihren Schülerinnen bei, sich durchzusetzen. Wenn das Pferd nicht folgte, war notfalls Zwang und Gewalt angesagt. Dass wir die Pferde anbrüllten, war noch die harmloseste Art, unserem Willen Nachdruck zu verleihen. Nutzte auch das nichts, kam die Gerte zum Einsatz.

Dennoch lernte ich durch den Befehl „Setz dich durch“ etwas Entscheidendes für mein weiteres Leben und für den Umgang mit Pferden. Ich lernte, mit Konsequenz meine Ideen zu verfolgen, dran zu bleiben, nicht gleich aufzugeben, wenn es Schwierigkeiten und Widerstände gab. Und ich entdeckte, dass es viele Wege gibt, sich durchzusetzen. Der brutale, aggressive Stil gefiel mir schon damals nicht. Mehr Erfolg hatte ich mit dem Rezept von Werner von Siemens, der einmal sagte “Es kommt nicht darauf an, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, sondern mit den Augen die Tür zu finden.”

 

Fazit

Es gibt viele Argumente, warum Eltern meiner Meinung nach ihren Kindern das Reiten und den Kontakt zu Pferden ermöglichen sollten, wenn es sich machen lässt. Reiten prägt den Charakter und formt die Persönlichkeit. Die Studie „Wert Pferd“ aus dem Jahre 2012, die die Deutsche Reiterliche Vereinigung in Auftrag gab, hat es wissenschaftlich bestätigt: Reiter sind disziplinierter, ausgeglichener und zielstrebiger als Nichtreiter.

 

 

Jetzt bist du dran

Wie ist es dir ergangen? Wann hast du die Liebe zu den Pferden entdeckt? Wenn deine Tochter heute mit dem Wunsch nach einem eigenen Pferd vor dir steht, wie reagierst du? Wenn du möchtest, teile deine Meinung, deine Erfahrungen zum Thema im Kommentar.

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Kommentar

Einfach toll! Auf das Herz hören und los! Ich fühle da soviel Liebe und Hingebung, dass dies in mir richtig Jubel auslöst. Es macht Spaß deine Beiträge zu lesen. Pferde gehören jetzt zwar nicht zu meinem Herzensprojekt, aber ich liebe sie auch! Bin selbst geritten als Kind. Es sind tolle Tiere und sie brauchen Menschen wie dich, die mit ganzem Herzen dabei sind. Viel Erfolg!

Vielen lieben Dank. Das freut mich sehr.

Ich bin Coach für Pferde-Frauen, Vertrauensaufbau und angstfreies Ausreiten, Tierkommunikatorin und systemische Aufstellerin für Pferde. Ich helfe dir, dein Pferd besser zu verstehen, deine (Aus)reit-Blockaden zu lösen und das Vertrauen in dich selbst, in dein Pferd und ins (Aus)reiten aufzubauen oder zurückzugewinnen.

 

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